
Regionale Netzwerke als Schlüssel zur Circular Economy
Umwelttechnik BW ist als Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz in Baden-Württemberg eine wichtige Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ihr Ziel: Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft begleiten. Doch welche Herausforderungen gibt es dabei? Wie kann Vernetzung helfen? Und welche Rolle spielt die Initiative Circular Länd als zentrale Plattform für die Circular Economy in Baden-Württemberg?
Ein ausführliches Gespräch mit Jonas Umgelter, Projektleiter Kreislaufwirtschaft & Ökodesign bei Umwelttechnik BW über Synergien, Erfolgsfaktoren und notwendige nächste Schritte.
Was macht Umwelttechnik BW besonders?
Wir verstehen uns als Wegbegleiterin, die die Industrie in Baden-Württemberg auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft begleitet und den Wirtschafts- und Technologiestandort Baden-Württemberg in den Bereichen Umwelttechnik, Ressourceneffizienz und industrieller Klimaschutz stärk. Dabei setzen wir auf praxisnahe Unterstützung – von Erstchecks über Schulungen bis zur Vermittlung von Partnern. Unsere Angebote sind kostenfrei und erstrecken sich über verschiedene Handlungsfelder: Klimabilanzen, Energieeffizienz, industrielle Abwärmenutzung, Materialeffizienz und Zirkuläre Wirtschaft.
Unsere Stärke liegt in der Vernetzung: Wir agieren als Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch konkrete Umsetzungen anzustoßen. Oft stehen Unternehmen vor der Herausforderung, den ersten Schritt zu gehen – sei es bei der Auswahl eines geeigneten Produkts oder der Anpassung interner Prozesse. Im Bereich Zirkuläre Wirtschaft ist unser Ziel, diese Einstiegshürden abzubauen und das Konzept als wirtschaftliche Chance zu positionieren. Ich kann für mich aber kritisch feststellen, dass die Transformation zur zirkularen Wirtschaft in Baden-Württemberg nur langsam voran geht.
Die Herausforderung: Warum passiert nicht mehr?
Viele Unternehmen beschäftigen sich leider erst mit zirkulärer Wirtschaft, wenn regulatorische Vorgaben sie dazu zwingen. Zwar werden mit der ESPR (Ecodesign for Sustainable Product Regulation) mehr Regelungen eingeführt, die zirkuläres Wirtschaften fördern, jedoch treten konkrete Regelungen erst in ein paar Jahren in Kraft. Zudem wird zirkuläre Wirtschaft als zusätzliche Aufgabe betrachtet, anstatt als strategischer Bestandteil der Unternehmensentwicklung. Dabei zeigt sich immer wieder: Unternehmen, die frühzeitig zirkuläre Geschäftsmodelle erproben und Erfahrungen sammeln für die Zirkularität ihrer Produkte, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Es gibt Beispiele von Unternehmen wie Lorenz Meteres, für die sich zirkuläres Wirtschaften schon jetzt lohnt. Es geht jedoch darum, konkrete Ansatzpunkte zu finden, mit denen Ressourcen geschont und gleichzeitig Geld eingespart bzw. verdient werden kann. Lorenz Meters, SEW Eurodrive oder andere Pioniere in diesem Bereich sind aber auch schon Jahre daran Erfahrungen zu sammeln und für sich zu verstehen, was zirkuläre Wirtschaft für sie bedeutet. Dieser pragmatische Ansatz hilft, Akzeptanz im Unternehmen zu schaffen und langfristig Transformation zu ermöglichen.
Kapazitäten als Flaschenhals
Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Teams, die sich explizit mit der Implementierung zirkulärer Prinzipien befassen. Erfolgreiche Unternehmen setzen deshalb auf klare Verantwortlichkeiten.
Es braucht Personen, die sich dem Thema aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens widmen können, um dann gemeinsam und aus verschiedenen Blickwinkeln zu definieren, was zirkuläre Wirtschaft für das Unternehmen bedeutet und in welcher Form sie Geschäftschancen bereit hält. Das ist leider in den meisten Fällen nicht gegeben: Es bleibt oft die Aufgabe einzelner Abteilungen wie z.B. der Nachhaltigkeits- oder Entwicklungsabteilung. Das heißt, es fehlt an der Bereitschaft, das Thema als Chance zu sehen und als Unternehmen für sich zu beantworten, wo diese Chance liegt. Die zentrale Erkenntnis: Zirkuläre Wirtschaft darf nicht als Zusatzaufgabe betrachtet werden, sondern muss als strategischer Bestandteil in alle Unternehmensprozesse integriert werden.
„Zirkuläre Wirtschaft ist kein Zusatz, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit.“
Jonas umgelter, Umwelttechnik BW
ZiWiUmbri: Wie Unternehmen Circular Economy erfolgreich umsetzen können
In Kooperation mit Circular Black Forest untersuchen wir darum im Rahmen der Studie „Zirkuläre Wirtschaft in Unternehmen in die Umsetzung bringen“ die zentralen Herausforderungen für Unternehmen. Eine der größten Hürden scheint darin zu bestehen, dass viele Unternehmen nicht wissen, wo sie ansetzen sollen. Zirkuläres Wirtschaften ist keine isolierte Nachhaltigkeitsmaßnahme, sondern betrifft Einkauf, Produktentwicklung, Vertrieb und die gesamte Geschäftsstrategie. Gleichzeitig fehlen in vielen Unternehmen spezialisierte Fachkräfte und Ressourcen, um zirkuläre Prinzipien praktisch umzusetzen. Oft bleibt der wirtschaftliche Nutzen unklar – es braucht daher Ansätze, die sowohl ökologisch sinnvoll als auch wirtschaftlich tragfähig sind.
Lernen von denen, die es bereits tun
Erfolgreiche Unternehmen setzen auf gezielte erste Schritte: Ein Unternehmen, mit dem ich in Austausch stehe, hat analysiert, dass sich Remanufacturing für bestimmte Komponenten lohnt. Ein anderes Unternehmen nimmt Motorengehäuse zurück, überarbeitet sie und bringt sie erneut in den Markt – eine Strategie, die Material spart und zusätzliche Wertschöpfung generiert. Diese Beispiele zeigen: Es geht nicht immer darum, das Rad neu zu erfinden, sondern bestehende Lösungen gezielt weiterzuentwickeln und an die jeweiligen Unternehmensstrukturen anzupassen. In manchen Fällen benötigt es ein anderes Produktdesign um ein zirkuläres Geschäftsmodell zum laufen zu bringen, in anderen Fällen ist das Produktdesign schon top, es braucht aber die Rückhollogistik und Aufbereitungsprozesse, um das Potenzial des jetzt schon zirkulären Designs zu heben. Diese Fragen sollte jedes Unternehmen für sich klären. Oft geht es aber nicht um völlig neue Lösungen, sondern darum, vorhandenes Wissen effektiver und mit Blick über den Tellerrand zu nutzen.
Statt neue Strukturen von Grund auf aufzubauen, können Unternehmen auf bestehendes Wissen und bewährte Methoden zurückgreifen – kombiniert mit neuen Denkansätzen und gezielten Innovationsimpulsen.“
Jonas umgelter, umwelttechnik BW
Entscheidend ist der Zugang zu praxisnahen Lösungen und ein starkes Netzwerk, das Unternehmen den Einstieg erleichtert und sie langfristig begleitet. Hier spielen (über-)regionale Netzwerke wie Circular Black Forest eine zentrale Rolle: Sie fördern den branchenübergreifenden Austausch und vernetzen Unternehmen mit den richtigen Partnern. Zirkuläre Geschäftsmodelle erfordern Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – sie lassen sich nicht allein umsetzen. Das ist eine Herausforderung, aber genau hier setzen wir an und unterstützen.
Konkurrenz oder Kooperation
Ein wesentliches Problem in der zirkulären Wirtschaft ist die Zersplitterung der Angebote: Veranstaltungen und Initiativen konkurrieren oft um dieselbe Zielgruppe, anstatt sich zu ergänzen.
Auch wir müssen hier selbstkritisch sein, den Mehrwert für unsere Zielgruppen in den Mittelpunkt stellen und stärker auf Kooperation statt Konkurrenz setzen. Für Unternehmen ist nicht immer klar ersichtlich, welche Angebote ihnen wann tatsächlich weiterhelfen.
Circular Länd: Warum regionale Netzwerke entscheidend sind
Dafür wurde auch Circular Länd ins Leben gerufen, um Unternehmen den Zugang zur zirkulären Wirtschaft zu erleichtern und bestehende Ressourcen in Baden-Württemberg zu bündeln. Denn es gibt bereits zahlreiche Initiativen und Veranstaltungen – doch häufig fehlt eine klare Struktur, die Unternehmen gezielt weiterleitet. Viele Unternehmen kämpfen sich durch eine Vielzahl an Angeboten, ohne genau zu wissen, welche für sie relevant sind. Circular Länd schafft hier Orientierung, indem es Transparenz herstellt und die richtigen Akteure zusammenbringt.
„Circular Länd bringt Struktur in die Vielfalt der Angebote – für eine effektivere Kreislaufwirtschaft.“
JONAS UMGELTER, UMWELTtechnik BW
Warum ist Vernetzung so wichtig?
Einzelmaßnahmen reichen nicht aus – eine funktionierende zirkuläre Wirtschaft braucht strategische Koordination und Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Circular Länd bringt daher die wichtigsten Akteure zusammen, um Wissen, Erfahrungen und Ressourcen zu bündeln. Unternehmen profitieren von einem strukturierten Zugang zu relevanten Beratungen, Schulungen und Kooperationsmöglichkeiten. Statt isolierter Einzelprojekte entsteht so eine gemeinsame Basis für eine nachhaltige Transformation.
Die nächsten Schritte
Aktuell arbeitet Circular Länd an einer „Learning Journey“, die Unternehmen eine strukturierte Übersicht über relevante Angebote in ihrer Transformationsphase bietet. Zudem sollen die Erkenntnisse aus der laufenden ZiWiUmbri-Studie integriert werden, um praxisnahe Handlungsempfehlungen bereitzustellen. Der Fokus liegt dabei klar auf Umsetzung: Statt weiterer Potenzialanalysen sollen konkrete Projekte mit messbarem Impact entstehen.
„Weniger Pilotprojekte, mehr Umsetzung – wir brauchen echte Best Practices und weniger Machbarkeitsstudien. Zirkuläre Wirtschaft darf nicht nur ein Konzept bleiben, sondern muss zur Realität in Unternehmen werden.“
JONAS UMGELTER