Ein neuer Blick auf Abfall, Ressourcen und Wirtschaft und die Frage, warum urbane Räume wie der Wirtschaftsstandort Freiburg eine zentrale Rolle in der Transformation spielen.
Städte stehen im Zentrum vieler globaler Herausforderungen. Sie verbrauchen einen Großteil der natürlichen Ressourcen, verursachen erhebliche Mengen an Emissionen und produzieren täglich große Mengen an Abfall. Gleichzeitig bieten sie enormes Potenzial für nachhaltige Lösungen – genau hier setzt das vom Baden-Württemberg Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft geförderte Projekt BioCirclE an.
Mit BioCirclE soll in Freiburg gemeinsam mit Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung eine urbane Bioökonomiestrategie entwickelt werden. Ziel ist es, biologische Ressourcen intelligenter zu nutzen und städtische Stoffströme zirkulär zu gestalten. Denn: Die urbane, zirkuläre Bioökonomie kann einen entscheidenden Beitrag zur regionalen Wertschöpfung, zur Ressourcenschonung und zur Erreichung der Klimaziele leisten.
Was bedeutet Bioökonomie?
Die Bioökonomie ist ein Wirtschaftsmodell, das auf nachwachsende, biologische Ressourcen setzt, statt auf fossile Rohstoffe wie Erdöl oder Erdgas. Genutzt werden können etwa Holz, Pflanzenreste, Mikroorganismen oder Abfallstoffe aus Haushalten, Industrie oder Landwirtschaft. Diese sogenannten biogenen Rohstoffe können als Ausgangsbasis für Produkte, Materialien oder Energieträger dienen.
Ein zentrales Ziel der Bioökonomie ist die Defossilisierung: Der Kohlenstoff, den unsere Wirtschaft braucht, etwa für Kunststoffe oder chemische Verbindungen, soll künftig aus nachhaltigen, biologischen Quellen stammen. Bioökonomie bedeutet damit nicht Rückschritt, sondern technologischen Fortschritt im Einklang mit natürlichen Kreisläufen.
Was ist Circular Economy?
Die Circular Economy stellt unser lineares Wirtschaftssystem infrage. Heute gilt häufig noch: Rohstoff wird entnommen, verarbeitet, genutzt und schließlich entsorgt. Die Circular Economy will das ändern. Produkte und Materialien sollen möglichst lange im Umlauf bleiben. Das funktioniert durch Reparatur, Wiederverwendung, hochwertiges Recycling oder innovative Nutzungsmodelle wie Product-as-a-Service.
Es geht darum, Ressourcen im Kreislauf zu halten und Abfälle möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Circular Economy ist mehr als Recycling – sie ist ein systemischer Wandel im Umgang mit Ressourcen.
Rohstoff → Produkt → Nutzung → Abfall
Bei Circular Black Forest sprechen wir bewusst von Circular Economy und nicht von Kreislaufwirtschaft: Im Deutschen wird der Begriff häufig mit der klassischen Abfallwirtschaft gleichgesetzt und greift damit zu kurz für das, was Circular Economy meint.
Warum Bioökonomie und Circular Economy zusammen gedacht werden müssen
Beide Konzepte entfalten ihr Potenzial erst in der Verbindung: Die Bioökonomie liefert nachhaltige Rohstoffe, die Circular Economy sorgt dafür, dass diese Stoffe so lange und so effizient wie möglich genutzt werden. Wenn biobasierte Materialien nur einmal verwendet und dann verbrannt oder entsorgt werden, verpufft der nachhaltige Effekt.
Erst wenn biologische Ressourcen zirkulär gedacht werden, entsteht ein System, das ökologisch tragfähig und ökonomisch sinnvoll ist, insbesondere im urbanen Raum. Denn hier kommen große Stoffströme, kurze Wege und viele Akteure zusammen. Das bietet ideale Voraussetzungen, um neue Ideen zu testen und umzusetzen.
Biologische Stoffströme: konkret und greifbar
Was bedeutet urbane Bioökonomie im Alltag einer Stadt? Ein Blick auf typische Stoffströme zeigt, wie groß das ungenutzte Potenzial ist:
- Bioabfälle aus Haushalten oder Gastronomie können zu Biogas, Kompost oder sogar Bioplastik verarbeitet werden.
- Grünschnitt aus Parks und Straßenbegleitgrün kann als Rohstoff für Verpackungsmaterialien oder Baustoffe dienen.
- Abwasser enthält wertvolle Nährstoffe wie Phosphor, die zurückgewonnen und in der Landwirtschaft wiederverwendet werden können.
Diese Beispiele zeigen: Biologische Stoffe sind keine Abfälle, sondern wertvolle Ressourcen, wenn wir sie als solche begreifen.
Übertragen auf den urbanen Raum heißt das: Abfallströme wie Biomüll, Grünschnitt oder Abwasser sind keine Belastung mehr, sondern Ressourcen, die intelligent genutzt werden können. Das Konzept der urbanen, zirkulären Bioökonomie kombiniert drei Ansätze:
Wir nutzen nachwachsende, biologische Rohstoffe statt fossiler.
Wir halten Ressourcen im Kreislauf, um Abfälle zu vermeiden.
Wir denken und handeln dort, wo Menschen, Stoffe und Ideen aufeinandertreffen – in der Stadt und den angrenzenden Landkreisen.
Warum Städte eine Schlüsselrolle spielen
Städte sind Knotenpunkte für Menschen, Wirtschaft und Infrastrukturen und sie bieten ideale Bedingungen für die urbane, zirkuläre Bioökonomie:
- Die hohe Dichte erzeugt große Mengen an organischen Reststoffen, die gezielt erfasst und verarbeitet werden können.
- Kurze Wege zwischen Erzeugung, Verarbeitung und Nutzung ermöglichen effiziente Kreisläufe.
- Vielfältige Akteurslandschaften aus Verwaltung, Unternehmen, Entsorgern, Forschung und Zivilgesellschaft schaffen ein innovationsfreundliches Umfeld.
- Städte können über ihre Steuerungsinstrumente Rahmenbedingungen schaffen, die Innovationen ermöglichen und beschleunigen.
Damit wird der urbane Raum nicht nur zum Austragungsort von Problemen, sondern zum aktiven Teil der Lösung.
werden in Städten verbraucht
werden von Städten verursacht
wird in Städten produziert
Beispiele aus der Praxis zeigen: Urbane zirkuläre Bioökonomie funktioniert bereits heute. Sie verbindet ökonomischen Nutzen mit ökologischer Verantwortung und fördert technische Innovationen.
- ProteinDistillery produziert pflanzenbasiertes Protein aus Brauereihefe – eine Alternative zu Importsoja.
- MycoLutions stellt kompostierbare Dämmstoffe aus Pilzmyzel her – regional, leicht und schadstofffrei.
- Alpha Protein züchtet Mehlwürmer als eiweißreiche Futter- und Nahrungsquelle – mit minimalem Flächen- und Wasserverbrauch.
- Remondis betreibt industrielle Recyclinganlagen und gewinnt Rohstoffe aus städtischem Abfall – ein Vorreiter für Urban Mining.
- Philips Lightning verkauft Licht als Dienstleistung (Light as a Service) – abgerechnet wird für die Nutzung, nicht für den Besitz.
Was Unternehmen und Kommunen davon haben
Die urbane, zirkuläre Bioökonomie ist nicht nur ökologisch sinnvoll; sie denkt Stadtentwicklung, Wirtschaft und Umwelt auf neue Weise zusammen und eröffnet konkrete Chancen:
- Neue Geschäftsmodelle in Bereichen wie Biomaterialien, Energie, Lebensmittel oder Dienstleistungen
- Regionale Wertschöpfung, da Ressourcen lokal erfasst und verarbeitet werden
- Ressourcensicherheit durch reduzierte Abhängigkeit von fossilen oder importierten Rohstoffen
- CO₂-Einsparung durch effiziente Nutzung biologischer Reststoffe
Das Projekt BioCirclE bietet Unternehmen und Kommunen eine Plattform, um gemeinsam an diesen Themen zu arbeiten. Ziel ist es, regionale Lösungen zu entwickeln, Synergien zu nutzen und gemeinsam eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise aufzubauen.
BioCirclE: Mitgestalten erwünscht
Mit dem Projekt BioCirclE legen die Stadt Freiburg und die FWTM (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH & Co. KG) den Grundstein für eine Bioökonomiestrategie für den Wirtschaftsstandort Freiburg. Der Fokus liegt auf Kooperation, Innovation und Praxisnähe.
Ob Unternehmen, kommunale Betriebe, Forschungseinrichtungen oder Start-ups – alle sind eingeladen, sich hier einzubringen. Denn nur im gemeinsamen Austausch entstehen Lösungen, die ökologisch wirksam, wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich anschlussfähig sind.
Mehr Infos und Beteiligungsmöglichkeiten:
Freiburg Wirtschaft + Innovation
Über die Autorin
Carina Wanninger
Carina ist eine visionäre Macherin, die mit Startup-Spirit, Innovationsprozessen und strategischem Design die Circular Economy von morgen gestaltet.